„Ich bin alt genug um es miterlebt zu haben wie es vorher war, vor Punk. Vor Punk war halt… du hattest halt diese typische kanonisierte Rock/Popkultur, in der es um glamouröse Stars ging, um Helden, Ikonen, um Könner, generell war es so: Kunst kommt von Können und je besser einer Gitarre spielen kann, desto größer war sein Wert. (…) Und mit dieser Popkultur, wie sie bis Mitte der 70er Jahre existierte und florierte, hat Punk gebrochen und genau das war das faszinierende daran. Punk war eine radikale Selbstermächtigung, ein Bruch mit dem was alles vorher war, diese ganze Rockstar-Scheiße. Der Begriff „Selbstermächtigung“ ist der zentrale Punkt gewesen bei Punk damals.“ (Armin, 07.01.2017)
Als die Sex Pistols 1975 die ersten Schritte machten und The Clash 1976 sich in London gründeten war ich gerade circa 6 Jahre alt. Der erste Punk, der Punk nahekam, war zu der Zeit für mich vielleicht Pumuckl.
Jahre später, in den 90ern, begann ich im Nürnberger Komm Konzerte zu machen und wurde irgendwie abhängig von Punk, von meinem Punk- und Hardcore. Denn für mich war Punk immer auch ein „Ort“, an dem ich vieles machen konnte, was ich machen wollte. Und Punk bedeutete für mich, mit allen Einschränkungen und naiven Vorstellungen, mein Ding durchzuziehen. In diesem Punkt war Armin für mich ein Vorbild.
Viele Bands aus dieser Zeit kamen aus dem X-Mist Universum. Darunter waren für mich mehr als beeindruckende Acts wie Party Diktator, Flamingo Massacres, Les Savy Fav oder World Inferno Friendship Society, wobei mir letztere Band immer ein bisschen zu viel Zirkuspunk war.
Wenn ich von Armin rede, dann ist er für mich eigentlich immer Armin X-Mist, oder Armin von X-Mist (also geadelt) so als Vor- und Zuname und meistens war er zusammen mit Ute unterwegs. Wenn Armin und Ute auf Konzerten anwesend waren, dann war klar, dass es meistens ein besonderes Konzert war, was nicht immer mit der Menge an Gästen korrelierte. Ich hatte immer irgendwie ein devotes Gefühl in der Gegenwart von Armin, was ich immer eher witzig fand, da es dafür keinen Grund gab. Er hätte wahrscheinlich geschmunzelt und mit Sicherheit einen Kommentar auf Lager gehabt, der mich beruhigte aber auch verstörte, zumindest male ich mir das aus. Ja, Armin war und ist ein Teil meines musikalischen Referenzsystems und meiner Sozialisation.
2002 begann ich im Komma Esslingen und ab und zu in anderen Locations in Stuttgart Konzerte zu machen. Durch meinen Umzug nach Baden-Württemberg kam ich auch geografisch näher an Nagold und X-Mist, was zur Folge hatte, dass ich Armin oft bei Konzerten traf. In den folgenden Jahre spielten viele X-Mist-Bands, die ich mitveranstalten konnte: Eniac, World/Inferno Friendship Society, Kurt, Ten Volt Shock, Winterbrief, Pretty Girls Make Graves, The Seconds, Ex-Models, The Oliver Twist Band, VAZ, Fuck U Is My Name, The Yellow Press, Telemark, Trend, Sleaford Mods, YASS, YC-CY, 2Bad, Monochrome, Gad Whip …
Irgendwann vor 2005 wurde in Stuttgart der Verein „Fuck You Emptiness“ in Leben gerufen. Wir trafen uns in einer Wohnung im Stuttgarter Westen. Das war ein ganz schön merkwürdiger Haufen an unterschiedlichen Menschen, darunter auch Armin. Ich glaube offiziell hieß der Verein „For Your Entertainment“. Unter diesem Decknamen erarbeiteten wir ein Satzung und gründeten einen Verein und eröffneten ein Konto. Das sollte die Grundlage für einige Konzerte in Stuttgart und Esslingen bilden, darunter z.B. Deerhoof (Der Rest der Bands fällt mir gerade nicht ein). Die Konzerte fanden im OBW9, im Hi Club oder z.B. im Schocken statt. Dass wir auch Konzerte in Locations in der Innenstadt von Stuttgart machten und der Bierpreise über 2 Euro lagen, hatte zur Folge, dass F.Y.E. von einem beliebten Punk- und Hardcore-Newsletter gestrichen wurde. Letzter Kommentar: „Goodbye D.I.Y.“ Für die Newsletter-Hosts waren wir wahrscheinlich die ersten Business-Punks. Ich lasse das jetzt einfach mal so stehen. Im Nachhinein betrachtet, war die Vereinsgründung jedoch eine eher sinnlose Aktion.
Es gibt Menschen, die in einer Hardcore- und Punkfolklore hängen blieben, das ist ok so. Armin ist für mich nie stehen geblieben. Ich habe Armin immer als Individuum erlebt, mit eigenem Kopf und Positionen, die man nicht unbedingt teilen musste, aber die ich immer mit großen Interesse wahrnahm. Armin hatte einen großen Einfluss auf mich.
Punk ist eine Haltung und kein Stillstand und deswegen konnten viele Generationen Punk neu entdecken und sich an der Ambivalenz und den Widersprüchen abarbeiten. In dieser für mich und produktiven und einer der wichtigsten und wegweisenden Lebensphasen, war Armin eine wichtiger Teil mit seinem Label und Mailorder X-Mist und dem Plot. Auch später waren die Einträge und Kommentare, die ich von Armin im Internet fand immer lesenswert und wertvoll.
Die letzte Platte, die ich bei X-Mist bestellte war ein Re-release von der Band „The Nation of Ulysses mit dem Titel „13-Point Program to Destroy America“ (Dischord 1991). Diese Platte war nicht für mich, sondern für einen jungen Menschen, der im Komma Konzerte mitveranstaltet und der für sich Punk entdeckte.
In Gedenken an Armin Hofmann.
- Jörg Freitag, Komma Esslingen -
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