Samstag, 30. September 2023

 Unter dem Titel „Kein Auflehnungskitsch“ hat Vojin Saša Vukadinović in der aktuellen Jungle World einen Nachruf auf Armin geschrieben. 

Bis nächste Woche ist der Artikel online noch hinter der Paywall gefangen, also macht euch doch vielleicht auf die Suche nach einer Print-Ausgabe, so wie Menschen in Köln das gemacht haben.


Dankenswerterweise hat die Jungle World unter dem Text auch auf unseren Blog hingewiesen.

Donnerstag, 28. September 2023

Armin, we never met in person but it was crazy to me that someone all the way across the ocean wanted to release our tape as an LP. What a wonderful surprise! I couldn’t believe anyone really cared about it enough to do that. Surely you lost money on it but you did it for the same reasons that we did it and that was so rad to me. I’m sorry I never got to thank you in person but we had some nice correspondence and I’m sending my love and respect to your friends and family from across the Atlantic Ocean. Salutations and respect….





-Andy Coronado, Monorchid / Wrangler Brutes -

Dienstag, 19. September 2023

 Erinnerungen an Armin


1986 war das Jahr als ich Armin kennengelernt habe. Mit meinem Kumpel Sutz hatte ich in diesem Jahr unseren Plattenladen Nastrovje Potsdam in Schwenningen eröffnet. Eine kleine Zusammenstellung von US-Hardcore, Alternative Sounds, aber auch europäische Bands von kleinen Labels und Mailordern waren nebst T-Shirts und Fanzines in unserem Angebot. Auch die ersten Konzerte organisierten wir in diesem Jahr im Schwarzwald. Nicht sicher, ob es Artless aus New York in der Fuchsfalle oder Scream aus Washington DC in Schwenningen war, als eine Truppe aus Nagold mit Chucks, Baseball Caps und Holzfällerhemden aufgelaufen sind, 40 Zuschauer, viel mehr waren am Anfang nicht zu bekommen. Da war auf jeden Fall auch Armin dabei. 


Es war die Zeit, als das Trust Fanzine gegründet wurde und die alte Besetzung um Moses, Armin und Dolf noch gemeinsam an einem Seil gezogen haben. Wir haben viele Konzerte in dieser Zeit organisiert, White Flag, Poison Idea, Melvins, Accused, Jingo de Lunch, MDC, Fang, RKL, Toxic Reasons, Verbal Assault, später dann auch Dickies oder Fugazi und viele mehr. Armin hat dann auch einige unserer ersten T-Shirt Prints in seiner Mailorder verkauft und uns mit Spermbirds-, So Much Hate und Walter 11 T-Shirts die ersten Aufträge beschafft. Da war die Szene noch überschaubar, aber erstaunlich gut vernetzt. Es wurde viel getauscht, Flyer versendet und über den neusten Scheiß am Telefon debattiert. Gerne rief ich bei Armin an und gab mich mit anderem Namen aus, um eine Platte einer doofen Band zu bestellen (die es natürlich bei ihm nicht gab) oder zu fragen ob ich da bei Mülleimer Records gelandet bin. Auch habe ich ihm mal ein Tape mit der ersten Cheap Trick LP aufgenommen und ihm erzählt es wäre mein neuestes Musikprojekt. Auf seinem Label sind später zwei Singles meiner eigenen Musikprojekte veröffentlicht worden. Das bis zuletzt existierende X-Mist Logo war eine der ersten Grafiken die ich am Computer im Freehand Programm für Armin fertiggestellt hatte, natürlich umsonst. 


Mit Armin gab es immer wieder schöne Polit- und Szene-Debatten, ganz zu Anfang „Nietenpunks vs Chucks“, die zwar vehement, aber immer auch mit einem Grinsen geführt wurden. Wenn ich Armin ärgern wollte, dann nannte ich ihn den Ian Mckaye aus Nagold. Ich war natürlich froh, dass er nicht Straight Edge lebte.  Als die ganze Szene immer kommerzieller wurde und große Firmen wie VANS und vor allem die Musikindustrie auf den Zug aufgesprungen waren um die alternative Musikszene zu kommerzialisieren, war Armin einer der wenigen, der trotzdem konsequent seinen eigenen Planeten X-Mist DIY weiter getrieben hat. Geld ist nicht alles und man kann es schon überhaupt nicht mit in den Himmel nehmen. Mit Haltung Spaß haben und versuchen nicht pleite zu gehen:  ob mit dem kurzlebigen Bandprojekt Happy Ever After oder mit der Lizensierung der legendären Big Boys. Es wurde mit Liebe und Überzeugung gemacht.


I want to be a problem

I want to make a scene

I want to get reactions

And wake you from you dream

And I don't care if you don't like it

And I don't think that it's the best

As long as you remember

Then we're up with all the rest


(Big Boys, We got Your Money)




1999 bin ich nach Berlin gezogen und wir haben uns etwas aus den Augen verloren, nur sporadisch vielleicht mal eine E-Mail geschrieben. Für einen Freund im Schwarzwald richtete ich 2013 einen Geburtstag aus und habe die US-Band „Buck Gooter“, die Armin mir vermittelt hatte, in der Linde Burgberg veranstaltet. Hier haben wir uns am 17.April 2013 zum letzten Mal gesehen. Armin erzählte mir begeistert von den Wanderungen, die er mit Ute an Wochenenden oft machte. Die Natur schien ihn noch mehr zu begeistern als die Musik. Wir überlegten mal einen gemeinsamen Ausflug zu unternehmen. Es ist leider nicht mehr passiert. 


Armin ist schon einmal vorgegangen. Dort, wo er auf uns wartet, wird er mit einer Kiste LPs stehen und wir debattieren über doofe Bands, lästern über Labelmacher die Porsche fahren, und natürlich sprechen wir über schöne Plattencover. 

Lebe wohl lieber Armin, Zeitgenosse einer ganz wichtigen und wunderbaren-, vielleicht sogar der schönsten und unbeschwertesten Zeit. Danke.


- Tøni Schifer -









Sonntag, 10. September 2023

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It‘s life!


Armin, Du hast die Welt für uns und für viele erträglicher gemacht. 

Du warst funky und feinsinnig - und einzigartig im DIY Underground.


Armin & Ute / X-Mist waren Familie und Zuhause.


- Nikki & Timo, Anker Schallplatten -


Life is the only thing worth living for (FLIPPER)


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Donnerstag, 7. September 2023

 Machs gut lieber Armin

 
Es dauert etwas ...  ich habe nicht allzu viele Worte ... kannten wir uns vor einer langen Zeit,
 
 
Ich denke gerne an viele Konzerte, die wir besuchten und uns gesehen haben. Und an all die Platten, die ich bei dir gekauft habe. Danke für all die Stunden, die ich damals bei X-Mist Records Siebdrucken durfte. Danke für all die Musik, die ich durch dich kennengelernt habe und die wir live auch auf Konzerten teilten.
 
Für die Band KARIES entwarf und zeichnete ich das Shirtmotiv. Die Shirts waren teil vom Merchendise für die Tour zum Album "Seid umschlungen, Millionen". Die Band hatte bereits 2x im Vorprogramm von Sleaford Mods gespielt und keine Shirts im Merch anbieten können, weil der zuständige Typ von This Charming Man Records den Druckauftrag total versemmelt hatte. Wie Armin kommentierte: "domm g´loffe!". 2016 fragte ich dann Armin an für den Druck. Armin hat die ganze Charge Shirts 1A  gedruckt und natürlich wie gewohnt in super Qualität! Wer eines dieser Shirts noch besitzt, dem- oder derjenigen sei gesagt: es ist von Armin persönlich bedruckt ❤️  
 
Vor vielen Jahren habe ich von Armin gelernt, wie man Siebdruckt. In Nagold, an der Krake, ohne Stress, in Ruhe. Ich konnte für eigene Projekte die Werkstatt nutzen, wir haben Musik gehört, es fühlte sich geborgen an. 
 
Ja, es stimmt, er konnte Bands in seinen Reviews und Kommentaren echt zerreißen. Da waren wir nicht immer einer Meinung ;) . Aber so wie Armin motzen konnte, konnte er auch wertschätzen.
 
Haltung, das war es, was bleibt. Auch wenn vieles modisch und vergänglich in "unserer" Subkultur erschien, in der wir uns bewegten, war es die Haltung, die blieb. Nicht bei allen, aber auf jeden Fall bei Armin. Danke, dass du uns an diese Werte erinnert hast und sie gelebt hast.
 
Ich weiß nicht mehr wann, es war und welche Band gespielt hat auf einem Konzert im Komma erzählte mir Armin das Lotte gestorben war (Lotte war seine Hündin). Er schilderte die letzten Tage und Stunden und seinen Abschied von ihr. Ich hoffe, dass Armin jetzt wieder mit Lotte irgendwo vereint ist. 
 
Wir mochten Hunde, Musik, die Natur, Humor und Österreich. Es ist lange her, das wir uns das letzte Mal gesehen oder gesprochen haben. Schön das sich unsere Wege gekreutzt haben in unserem Leben!

Machs gut.

- Melanie Werner - 




Uns erreichte diese Radiosendung zum Gedenken an das musikalische Oeuvre von X-MIST. Ein großes Hörvergnügen  ( auch für diejenigen, die nicht der Sprache mächtig sind 😁)!

This radio programme commemorating the musical oeuvre of X-MIST reached us. A great listening pleasure ( also for those who are not able to speak the language 😁)!


https://kfuel.org/radio/playlist-31-08-2023-en-memoire-darmin-hoffman-x-mist-gasoline-boost/

Mittwoch, 6. September 2023

I can't remember exactly when Armin came into my life. It must have been in the mid-90s when I fished an X-Mist flyer out of a Walter Elf LP and I ordered a mail order list with a stamped envelope. When it arrived, it was studied at length again and again. The descriptions aroused so much interest and at first I couldn't decide at all. I always wanted to discover something new - and I could do that here. There was always something I didn't know and wanted to discover. There wasn't just the standard mush that was everywhere. So my musical horizon was suddenly broadened, because until then I had only found the local record shop and We Bite records as a source for new recordings. Armin then managed to satisfy my curiosity for new and unknown things. All of this has had a huge impact on my listening habits and the way I consume music. I really got to discover a lot of great bands through him and it was sometimes a shame that a lot of people didn't trust his taste until the bigger media became aware of the bands. He always had a good nose for good music ... at least for music that I also loved.

At the end of the 90s the first record came out on ADAGIO830 and X-Mist was one of the first simply including the release in their programme, which made me very proud at the time. Somehow you cared about what Armin wrote - because you knew that the review was always honest and not based on sales figures.That hasn't changed over the years. He was one of the few who always wrote the description in the mail-order himself and didn't just copy the press info. And I was even more excited when he included the first demo of my band ZANN in the catalogue and he wrote a good review ... Somehow it came to an exchange of letters and in 2001 to the first label split-release of the evergreat Flamingo Massacres LP. For me it was just the second release but despite that the whole release was always on par and transparent between us. Exactly that was one of the many things that made Armin and X-Mist. He never patronised you or tried to insist on his experience. That meant a lot to me then and still does.

The first time we met in person was at an off day on the Zann/Iceburn tour, when he took us in and hosted us. We strolled through the weekly market in Nagold with recommendations from the house and then went shopping at the X-Mist shop.

Thank you for everything, your support and energy, the enthusiasm and even if we didn't always agree, I always appreciated your honesty. It would be boring if we always thought of the same things in the same way. Criticising each other doesn't mean you don't show each other respect. Always talking after each other's mouths wouldn't get anyone anywhere, and I think that's exactly what I appreciated about Armin. You could have a discussion and exchange points of view. This always led to new perspectives and movement should also be further development.

- Robert / Adagio830, Bis Aufs Messer records - 






Ich weiss gar nicht mehr, wann Armin genau in mein Leben getreten ist. Es müsste so Mitte der 90er gewesen sein, als ich aus einer Walter Elf LP einen X-Mist Flyer fischte und ich mir eine Mailorderliste mit einem frankierten Umschlag bestellt habe. Als sie dann ankam, wurde diese immer wieder ausgiebig studiert. Die Beschreibungen haben soviel Interesse geweckt und ich konnte mich anfangs überhaupt nicht entscheiden. Ich hatte immer Lust etwas neues zu entdecken und das konnte ich hier. Immer wieder gab es etwas, was ich nicht kannte und entdecken wollte. Es gab eben nicht nur den Einheitsbrei, den es überall gab. Somit wurde mein musikalischer Horizont schlagartig erweitert, den bis dahin hatte ich nur den lokalen Plattenladen und We Bite records also Quelle aufgetan für neue Tonträger aufgetan. Armin hat es dann geschafft meine Neugier nach Neuem und Unbekannten zu befriedigen. Das alles hat schon sehr viel Einfluss auf meine Hörgwohnheiten genommen und auch meine Art, wie ich Musik konsumiert habe. Ich hab wirklich viele tolle Bands über ihn entdecken können und es war manchmal schade, dass viel Leute erst dem Geschmack von ihm getraut haben, wenn das grössere Medien auf die Bands aufmerksam geworden sind. Er hatte immer eine gute Nase für gute Musik … zumindest für Musik, die ich auch als gut befand. 


Ende der 90er kam dann auch die erste Platte bei ADAGIO830 und X-Mist war einer der ersten, der die Veröffentlichung damals einfach in sein Programm aufgenommen hatte, was mich damals sehr  stolz machte. Irgendwie war einem wichtig was Armin schrieb - weil man wusste das die Rezension immer ehrlich und nicht auf Verkaufszahlen ausgelegt war. Das hat sich auch über die Jahre nicht geändert. Er war einer der wenigen, die die Beschreibung im Mail-order immer selbst verfasst und nicht einfach das Pressinfo kopierte. Und umso aufgeregter war ich also er das erste Demo meiner Band ZANN in den Katalog aufnahm und er ein gutes Review schrieb … und irgendwie kam es immer mehr zu einem Briefaustausch und 2001 auch zum ersten Split Label release der immer noch tollen Flamingo Massacres LP. Für mich war es gerade mal die zweite Veröffentlichung und trotz all dem war die ganze Veröffentlichung immer auf Augenhöhe und transparent. Und genau das war auch eines der vielen Dinge, die Armin und X*Mist ausgemacht haben. Er hat einen nie von oben herab behandelt oder versucht auf seine Erfahrung zu pochen. Das hat mir damals viel bedeutet und tut es immer noch.


Zum ersten Mal persönlich haben uns dann bei einem Off Day auf der Zann/ Iceburn tour getroffen, als er uns bei sich aufgenommen hat und auch bewirtete. Wir sind über den Nagolder Wochenmarkt mit Empfehlungen des Hause geschlendert und waren danach noch im X-Mist Laden einkaufen. 


Danke für alles, deiner Unterstützung und deine Energie, den Enthusiasmus und auch wenn wir nicht immer einer Meinung waren, wusste ich deine Ehrlichkeit immer zu schätzen. Und es wäre ja auch langweilig, wenn man immer das selbe gut finden würde. Kritik aneinander zu üben, heißt ja nicht das man einander keine Respekt zollt. Sich immer nach dem Mund zu reden, würde keinen weiter bringen und ich denke genau das war, was ich an Armin geschätzt habe. Man konnte eine Diskussion führen und Standpunkte wurden ausgetauscht. Dies hat dann auch immer zu neuen Perspektiven geführt und Bewegung sollte ja auch Weiterentwicklung sein.


Robert / Adagio830, Bis Aufs Messer records





Dienstag, 5. September 2023




Armins Auffassung von Punk / Hardcore hat sich über die Jahre hinweg in vielerlei Gestalt manifestiert. U.a. in der Musik, die er gemacht hat, in den Bands, die er gefeiert und gefördert hat, und in vielen Texten, die er geschrieben hat. Wir meinen, dass sich Armins Auffassung besonders klar in einem Text aus dem Jahr 2016 zeigt:

Hofmann, Armin. 2016. Attwenger: Sun. In Engelmann, Jonas (Hg.). Damaged Goods. 150 Einträge in die Punkgeschichte. Ventil Verlag: Mainz, S. 331-333.

Da der Text für einen Blog recht lang ist und eine österreichische Band den Anlass zu Armins Ausführungen bildet, haben wir Steffen aus Graz gefragt, ob er den Text einsprechen mag (mit freundlicher Zustimmung des Ventil Verlags).





Und dann ging Punk

Der Blog soll der genaueren Erinnerung an Armin dienen, an seine Arbeit und seine Haltung zu dem, was bis zum heutigen Tag häufig mit frommen Kirchentagseifer als „it´s more than music“ hochgejazzed wird. Und das beinhaltet auch einen Aspekt, der hier ausdrücklich  festgehalten werden sollte:


Schon lange vor seinem Tod geriet Armins Arbeit in Vergessenheit. Nein, das ist verfälschend ungenau: Schon lange vor seinem Tod wurde kollektiv seiner musikalischen Haltung und seiner Positionen keine Aufmerksamkeit mehr geschenkt. Eine 1A-Marginalisierung von denjenigen, die sich zu gerne als weiße Ritter aller Marginalisierten sähen.

Ja, auch für sie gibt es Grenzen – beispielsweise, wenn jemand vorbeikommt und schwierige Fragen stellt. Jemand, der nicht nur Verstand hat, sondern sich auch noch die Mühe macht und von selbigem Gebrauch macht. Und last but not least: Jemand, der Kritik am eigens so schön ausgemalten Wolkenkuckucksheim übt. Auch wenn es in noch sooo schön bunten Farben getunkt ist.

Ein Beispiel für die Marginalisierung? Bitte sehr:

Ein Podcast, der sich schon im Titel vollmundig dem Erinnern von Punkbiographien widmet. Nun denn, das ist nichts Neues. Das Erzählen und Erinnern wurde innerhalb dieses Genres schon immer mit ehrfürchtigem Ernst praktiziert. Schauen wir also einmal auf die Liste der eingeladenen Gäste: Über 100 Menschen, denen jeweils mehrere Stunden Platz und Zeit eingeräumt wird ihr persönliches coming-of-age hinsichtlich ihrer Punk-Genese zu entfalten. Wow, so viele Menschen! Armin - wahrscheinlich einer von nur einer Handvoll Menschen in Europa, die 40 Jahre lang mit ungebrochener Konstanz, Anspruch und Ethos dieses Motto als Lebensinhalt bewahrt haben – na, der wird ja mit Sicherheit einer der ersten sein, der dort Gehör findet!

Er ist der einzige, der fehlt.

Nein, es werden durchaus Gesprächspartner  aufgrund ihrer langjährigen Erfahrungen ausgewählt. Und bei all diesen altgedienten Personen fällt explizit sein Name in JEDER Erzählung, wird eigentlich dort überall als Initiale und verlässliche Konstante genannt.
Den einzelnen Personen wird dort Stund' um Stund' Platz und Gelegenheit eingeräumt. Nur Armin eben nicht - er hat dort weder Bedeutung, noch findet er dort Platz.

Und ja, dieses Ignorieren passt schlussendlich doch sehr gut zu einem viralen Image, das ihm über Jahre verpasst wurde - und das effektiver wirkte als jedes Cybermobbing im Klassenchat einer neunten Schulklasse: Das Bild des schlechtgelaunten Spielverderbers / negativen Miesmachers / alles-Scheissefinders etc. Die Beispiele sind so unzählig wie die Unterstellungen, er betreibe aus purer Lust Destruktion des doch an sich so erbaulichen Ansatzes von Punk/Hardcore und redete doch alles und jeden schlecht. Mal ganz abgesehen davon, dass eine solch unterstellte Lust prinzipiell „punkiger“ wäre als – sagen wir mal - 95% Prozent aller Anekdötchen, die quälend langatmig in Podcasts zum Besten gegeben werden, um sodann wieder in der ewigen Bedeutungslosigkeit zu verschwinden. Nein, es ging gerade Armin niemals um Destruktion als Selbstzweck. Es ging um Kritik und den kritischen Austausch.

Aber da – und das wird an seiner Person leider empirisch – wird es für viele dann brandgefährlich und bedrohlich. Schweigen ist eine Tugend, Streiten eine zu verteufelnde Sünde. In solch moralinen Dichotomien lebt es sich konstruktiv im Punk-HC. Lieber innerhalb der Dorfgrenzen bleiben und dort folgende Themenfelder abgrasen: Mein allererster AZ-Besuch / wo gibt es den besten Seitanbraten /  Mein großer Initiations-Tag, an dem ich Fat Wreck abschwor, um von nun an Newschool zu hören. Ja, tatsächlich so klein ist diese Welt und soll sie auch bitte bleiben. Wir lassen uns von niemanden in Frage stellen.


Es dient als konkretes Beispiel dafür das Dilemma zu beschreiben, in dem Armin steckte. Wie restriktiv eindimensional das Gros dessen ist, was unter dem Begriff „Punk“ verhandelt wird. Gerade hier kann man das schön nachhören. Das Gerede ist eine Karikatur dessen, was dieser Begriff immer vorgab zu verhandeln: Farblich dufte abgestimmter Gartenzaun-Chat, mit klammheimlichen Interesse an zwischenmenschlichen Pikanterien, die sogleich etwas geil als Triggerwarnungen auf „problematische Inhalte“ herausgestellt werden ( ein Schelm, wer diese inhaltliche Warnungen als gleichzeitige Warnungen vor der sonstigen Inhaltsleere dieses Podcast versteht...). Armin empfand dies allein schon deshalb absurd, weil die Initiale und Genese von Punk doch nichts anderes als ein einziges Problem war! Und für ihn war doch eben das das Reizvolle an Punk, dass es der Trigger für Probleme ist.




nischig-exkludierend: NOH MERCY




In jeder zweiten Folge wird irgendeinem Typen in selbstbezichtigender Über-ich-Emphase die Frage gestellt „Was meinst du: Punk/ HC war ja ein ganz schönes Mackerding, oder?“ Auch wer das Format nicht kennt, dürfte auch ungehört ahnen können: Die Antwort darauf ist - wie so häufig in der gut ausgeleuchteten Punk/HC-Welt - austauschbar gleich.

Schade um die tolle Chance, zur Abwechslung mal eine interessante Antwort von einem Mann darauf zu erhalten. Armin hätte sie gegeben. Vielleicht hätte sie so oder so ähnlich gelautet: 


„Nun, ich weiß ja nicht, was die Anderen antreibt? Aber was interessieren mich schon die Anderen, wenn sie so bleiben wollen, wie sie sind! Für mich kamen die interessanten und spannenden neuen Ansätze IMMER auch federführend von Frauen“ – 


Und dann hätte er ihnen das an zahlreichen Beispielen erklärt, wie weiblich sein Punkverständnis gleich zu Anfang geprägt war. Kleenex/Liliput, Malaria, Bush Tetras, Noh Mercy, Y-Pants usw.- eben all die unzähligen Namen, die immer selbstverständlicher Teil seines Referenzrahmens waren, wenn er etwas wirklich AUFREGENDES und SPANNENDES beschreiben wollte. Interessanterweise wäre aber vermutlich ein großer Anteil an Bands und Künstlerinnen dabei gewesen, der von vielen  als supernervig/ anstrengend/ überhaupt nicht punkig abgetan worden wäre – oder unbekannt. Woher nun diese Disqualifizierung kommt? Hm, vielleicht sollte sich Weiblichkeit trotz aller vermeintlichen Gendersensibilität dann doch nicht zuviel Eigenständigkeit trauen dürfen? Vielleicht spielen deswegen all diese Bands und Künstlerinnen in diesem HC-Talk überhaupt keine Rolle oder sind unbekannt, waren jedoch aber immer sehr prominent und elementar im X-Mist Katalog gewesen? Auch diese spannende Diskussion, sie hätte mit Armin geführt werden können.

Gleich wie der sich verschließenden Irisblende am Ende eines Stummfilms: Das Bild eines Menschen und vor allem dessen, was er sagt - es wird kleiner und kleiner. Und das klar präsente, offensichtliche, es wird stetig und unaufhörlich vom umschließenden Schwarz geschluckt, bis zu einem winzigen Lichtpunkt - und es dann vollends schwarz bleibt. Die Person und die Handlung ist gewiss noch da, am selben Platz. Doch hat sich die Kamera verschlossen und abgewendet. So hat sich die öffentliche Aufmerksamkeit zu Armin und seinen Positionen verhalten. Lange vor seinem Tod. 


Genau auf besagter Plattform, die sich wirklich JEDEN eingeladen hat, nur eben nicht Armin - und zwar ganz einfach aus dem Grund, weil sie das unbequeme meiden, stand kurz nach seinem Tod "Ruhe in Frieden, Armin. Ein großer Verlust." auf ihrer Seite. Kostet nichts, sieht gut aus. Und Tote wehren sich nicht. Und nebenbei kann man sich so dann selbst die noch ins Boot holen, die man im eigenen Podcast in Anwesenheit eines ehemaligen Fanzine-Kollegen lapidar und von selbigen Gast unwidersprochen als „nischig-Exkludierende“ selbst exkludiert hat.


Für all diejenigen sei versichert: Armin hat es schwer getroffen immer wieder damit konfrontiert zu werden, er sei ein negativer Kauz. Mich macht es einfach nur wahnsinnig traurig, dass Armin Gegenstand und Inhalt der Musik aus guten Gründen sehr ernst nahm. 

Und wahrscheinlich genau deswegen vergessen wurde.




"Müssen wir über das PLOT reden? Ich habe nicht so Bock" (Stimme 1) 

"Müssen wir glaube ich gar nicht!" (Stimme 2) 


"HA HA HA!"


 ... "Das hat doch glaube ich Armin am Ende alleine betrieben,


Ha Ha Ha!"

( Podcast, am 16.Februar 2021) -

- Michael Sobott, Beau Travail -

Montag, 4. September 2023

Gerne weisen wir auf eine Nachricht von Ute an alle interessierten Menschen und X-Mist-supporter hin. 

Macht mit und helft ihr! Teilt diese Nachricht und sagt es weiter. Danke an euch alle!


We would like to redirect a message from Ute to all interested people and X-Mist supporters. 

Join in and help her! Share this message and spread the word. Thanks to all of you! 


+++




Hallo liebe X-Mist Kunden, liebe Freunde von Armin & von guter Musik!


Mit viel, viel Herzblut und Unterstützung von Musikliebhabern und Wanderfreunden habe ich mich
entschieden, den X-Mist Shop wieder zu öffnen! Für Euch, dass Ihr nochmal in Ruhe alles durchschauen könnt und überlegen, was ganz schön wäre zu hören,
anzuschauen oder einfach nur zu besitzen. 

Die Schliessung des Shops war eine spontane und notwendige Entscheidung meinerseits. Ich kann mir vorstellen, dass es für manche von Euch ein
Schock gewesen sein muss. Es tut mir leid dafür.
Ich war in einer Ausnahmesituation und bin es noch jetzt...


Es ist so, dass ich jetzt nicht nur ohne meinen wichtigsten Menschen leben muss, sondern auch ohne seine finanzielle Unterstützung. Armin hat seine angesparte Altersvorsorge in neue X-Mist Releases
investiert. Der war ganz schön verrückt!
Deshalb, nicht zögern! Ich freue mich sehr Euch kennenzulernen, sei es über den Shop, über Email
oder - falls der Weg nicht zu weit ist - auch hier bei mir im Hause X-Mist.


Bis dahin,

Ute

www.x-mist.de


english version ++

Hello dear X-Mist customers, dear friends of Armin & friends of good music!

With much, much heart & soul and the support of music lovers and rambling friends, I have decided  to reopen the X-Mist Shop! For you, so that you can look through everything again in peace and think about what would be nice to listen to,

or just to own. 


Closing the shop was a spontaneous and necessary decision on my part. I can imagine that it must have been a shock for some of you. I am sorry for that.

I was in an exceptional situation and still am now....


It is like this that now I not only have to live without my most important person, but also without his financial support. Armin has invested his saved pension

in new X-Mist releases. He was pretty crazy!

Therefore, don't hesitate! I am very happy to meet you via the shop, via Email or - if the way isn't too far - here at X-Mist.



Until then,

Ute


www.x-mist.de


 Zum Abschluss dieses Jahres 2024 möchten wir auf eine schöne Aktion von Harald Retzbach verweisen, dessen Gedanken und Erinnerungen an Armi...